Freitag, 16. Januar 2009

Maximal minus 23 Grad!

So - jetzt ist es offiziell: Es ist schweinekalt in Montréal.

Ich weiß gar nicht so richtig, wie ich das beschreiben soll: Man kommt aus der Tür und einem friert die Rotze in der Nase, obwohl man eigentlich gar keine Rotze in der Nase hat. Die Jacke knackt und die Henkel von der Handtasche sind binnen Sekunden steif. Auf dem Weg zur Bushaltestelle schmerzen einem zuerst die Beine und wenn man ankommt und an sich herunterguckt, wundert man sich, dass man überhaupt noch welche hat, weil man sie nicht mehr spürt. Wenn man atmet hat man innerhalb kürzester Zeit, eine Eiskruste am Schal und manchmal gefrorenes Wasser an den Wimpern. (Keine Ahnung wo das herkommt.)

Zu diesem Anlass hab ich mir gestern, dann doch endlich mal neue Schuhe gekauft. Und es war ganz einfach. Rein in Laden, Schuh anprobiert, gekauft und raus. Das war eine super Investition. Heute hatte ich tatsächlich keine kalten Füße.

Am Mittwoch war es wirklich schweinkalt. Das trotzt jeder Beschreibung, weil es soo windig war und man eigentlich sofort, beim Verlassen des Hauses Schmerzen hatte. Deshalb wartete ich auch nicht auf meinen 420er Bus, der mich nach Downtown bringt, sondern fuhr, um mich etwas aufzuwärmen ein paar Stationen mit dem 105er die Straße runter. Dann stand ich wieder an der richtigen Haltestelle und wartete - bis auf der anderen Straßenseite etwas passierte.

An der Ecke, an der ich stand, ist eine Ampel und ein Zebrastreifen, aber außerdem noch ein Mann mit gelber Warnweste und Stoppschild. Der betritt die Fahrbahn immer sobald Schulkinder die Straße überqueren. Den Mann hab ich da jetzt die letzten 3 Monate immer stehen sehen, war immer derselbe.

Also - wieder zurück zur Bushaltestelle - nach 5 Minuten Warterei hatte ich schon jedes Körpergefühl verloren, ich war nur noch ein einziger Schmerz. Und der 420ger hatte Verspätung - wie immer, wenn es besonders kalt ist.

Grad hatte ich noch drüber nachgedacht, was man wohl alles anziehen muss, um den Job von dem Mann in der gelben Warnweste zu machen, der dort drüben steht.
Als der Mann auf einmal nicht mehr stand.

Ich sah die gelbe Weste regungslos auf dem Boden liegen. Adrenalin machte sich in mir breit und ich überquerte die Straße. So richtig wusste ich auch nicht, was ich machen sollte und 2 Leute hatten schon die Ambulanz gerufen. Der Mann lag auf dem eisigen Boden und ich hatte sone Angst -

Leute sind aus ihren Autos ausgestiegen und standen blöd rum, was ich eigentlich auch gemacht habe, weil ich irgendwie dachte, dass man ihn nicht bewegen darf(was ja völlig schwachsinnig war, weil er ja keinen Unfall hatte).
Dann hab ich meine Jacke ausgezogen, weil ich dachte, er hätte vielleicht einen Kälteschock (falls es sowas überhaupt gibt) und es wäre schlau, wenn er nicht mit dem Gesicht auf dem eisigen Boden liegen würde. Irgendwie wollte mir aber keiner helfen und alleine konnte ich ihn auch nicht bewegen. Weil es in der Kälte etwas schwierig war seine Extemitäten zu koordinieren, man hatte zwar eine Idee davon, was man machen wollte, aber war so steif, dass es an der Umsetzung der Idee scheiterte. Also hab ich die Jacke nur auf ihn drauf gelegt, als mich eine Frau auf Französisch vollgelabert, dass ich meine Jacke wieder selber anziehen soll. (Keine Ahnung, warum ich das verstanden hab!)

Zum Glück kam dann die Ambulanz und ich bin wieder rübergerannt, wo grad mein Bus kam. So richtig hilfreich kam ich mir nicht vor. Aber immernoch hilfreicher als die ganzen anderen, die um ihn herumstanden und geglotzt haben.

Donnerstag auf dem Weg zur Arbeit, stand niemand an der Ecke.

Die Ecke war leer...

Freitag stand jemand anders da.

Und erst viel später kam ich auf den Gedanken, dass der Mann vielleicht einen Herzinfarkt oder sowas hatte und man ganz anders hätte reagieren müssen als ihn zu wärmen. Nämlich mit Herzmassage.

Als ich weggegangen war, war er auf jeden Fall wieder bei "Bewusstsein" und die Ambulanz war da. Trotzdem würde ich gerne wissen, dass es ihm wieder gut geht. Ich weiß nur nicht, wie ich das rausfinden kann.

Ja, so Sachen passieren hier also. Wahrscheinlich auch überall anders auf der Welt, aber ich war hier dabei. Irgendwie gruselig, wie hilflos man sich fühlen kann.

I guess - so it goes!

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Sarah,
Der gute Wille ist, was zählt. so viele Erfahrungen auf einmal, in so kurzer Zeit, auf dem Weg zur Arbeit.
Ich wünsche dir einen guten Tag, sei herzlich umarmt Samariterin, Gruß und Kuss Ma

Anonym hat gesagt…

Liebe Sarah,
also ich fand die Idee mit dem "was unter den Kopf legen" garnicht so schlecht und das Zudecken war sicher auch nicht verkehrt, aber die Frau hatte schon recht: Wenn du nicht in Kürze daneben liegen willst, solltest Du die Jacke doch lieber anbehalten. Durch Unterkühlung stirbt man glaube ich sehr schnell.

Vielleicht fragst Du mal den Mann der jetzt da steht, ob er weiss, wie es dem umgekippten geht. Wenn er bereits wieder bei Bewusstsein war, dann wird glaube ich alles gut gegangen sein. In Zukunkft einfach mal checken, ob Athmung vorhanden ist...

Anonym hat gesagt…

Hah! Hab ich doch gewusst, dass es Chris is! Good luck mitm Restaurant.
Und den neuen "Kinder über die Straße Bringer" fragen würde ich sehr empfehlen! Jetzt will ich auch wissen, was mit dem anderen passiert is. Nämlich! Mama

Anonym hat gesagt…

Ach so: Eiskruste an den Wimpern is der eigene Atem. Da is Wasser drinne.Mmh! Nochmal Mama

Anonym hat gesagt…

Puh - heute auf dem Weg zur Arbeit stand der Mann wieder da!!!
Juhu!

Alles wird gut:-)

Anonym hat gesagt…

und, hasste ihn gefragt, wie es ihm geht und das du dir sorgen gemacht hast ? das freut den bestimmt !